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Die Ausfallwahrscheinlichkeit (Abkürzung: PD für Probability of Default) ist im Finanzkontext eine Kennzahl aus dem Kreditrisikomanagement. Sie beziffert die geschätzte Wahrscheinlichkeit, mit der ein Schuldner (Unternehmen, Staat oder Privatperson) innerhalb eines definierten Zeitraums (meist ein Jahr) seinen vertraglichen Zahlungsverpflichtungen (Zins- und/oder Tilgungszahlungen) nicht nachkommen kann.

 

Allgemeine Beschreibung

 

Die Ausfallwahrscheinlichkeit ist die zentrale Größe bei der Messung des Kreditrisikos und hat direkten Einfluss auf die Preisgestaltung von Krediten, Anleihen und Derivaten.

  • Definition des Ausfalls: Ein Ausfall liegt in der Regel vor, wenn der Schuldner wesentliche Schulden nicht fristgerecht begleichen kann, Insolvenz anmeldet oder eine Restrukturierung der Schulden aufgrund finanzieller Schwierigkeiten notwendig wird.

  • Messung und Modelle: Die PD wird nicht direkt beobachtet, sondern mithilfe statistischer Modelle geschätzt. Die gängigsten Modelle basieren auf:

    • Historischen Daten: Analyse der Ausfallhäufigkeit in der Vergangenheit.

    • Finanziellen Kennzahlen: Analyse von Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung (z. B. Verschuldungsgrad, Eigenkapitalquote).

    • Marktdaten: Herleitung der PD aus dem Kurs von Unternehmensanleihen oder Credit Default Swaps (CDS).

  • Basler Eigenkapitalvorschriften (Basel III): Die PD ist eine der drei Schlüsselkomponenten (neben der Loss Given Default (LGD) und der Exposure at Default (EAD)), die Banken zur Berechnung ihrer Eigenkapitalanforderungen für Kreditrisiken verwenden müssen.


 

Typische Anwendungsbereiche

 

  1. Banken und Kreditinstitute:

    • Kreditgewährung: Die PD ist der primäre Faktor zur Entscheidung, ob ein Kredit vergeben wird und zu welchem Zinssatz (Risikoprämie).

    • Portfoliomanagement: Bewertung des gesamten Kreditrisikos und zur Festlegung der Risikolimite.

    • Eigenkapitalunterlegung: Berechnung der risikogewichteten Aktiva (RWA) gemäß Basel-Regeln.

  2. Ratingagenturen:

    • Bonitätsratings: Ratingagenturen (wie Moody's, S&P, Fitch) bewerten die PD und weisen Unternehmen und Staaten Bonitätsnoten zu (z. B. AAA, BB+).

  3. Investoren (Anleihemarkt):

    • Preisfindung: Investoren verlangen eine höhere Rendite für Anleihen mit einer höheren geschätzten PD (Risiko-Rendite-Abwägung). Sie nutzen PDs zur Einschätzung, ob die Risikoprämie angemessen ist.


 

Berechnungsmethoden

 

  • Rating-Systeme: Interne Ratingsysteme der Banken verwenden meist logistische Regressionsmodelle oder komplexere Machine-Learning-Algorithmen, um eine PD zu berechnen, die auf den spezifischen Merkmalen des Schuldners basiert.

  • Marktbasierte PD: Die PD kann aus den Preisen von Credit Default Swaps (CDS) abgeleitet werden. Ein hoher CDS-Spread deutet auf eine hohe implizite Ausfallwahrscheinlichkeit hin, da der Markt eine teurere Absicherung gegen den Ausfall fordert.


 

Quantitative Aspekte (Beispiel)

 

  • Eine PD von 1,0 % bedeutet, dass statistisch gesehen ein von hundert ähnlichen Schuldnern innerhalb des nächsten Jahres ausfallen wird.

  • Schuldner mit einer PD von unter 0,03 % gelten in der Regel als Investment Grade (hohe Bonität), während Schuldner mit einer PD von über 1 % bis 2 % als Non-Investment Grade (Spekulationsniveau) eingestuft werden.


 

Risiken und Herausforderungen

 

  • Modellrisiko: Die geschätzte PD ist nur so gut wie das zugrundeliegende Modell. Fehler in den Modellen können zu falschen Risikoeinschätzungen führen (besonders problematisch in Krisenzeiten).

  • Konjunkturabhängigkeit: Die PD von Unternehmen ist stark prozyklisch. In Boomphasen sinkt die PD (Risiken werden unterschätzt), in Krisen steigt sie sprunghaft an.

  • Datenmangel: Bei neuen oder sehr kleinen Unternehmen ist die Datenbasis oft unzureichend, was die zuverlässige Schätzung erschwert.


 

Ähnliche Begriffe

 

  • Kreditrisiko: Das Gesamtrisiko, das aus dem Ausfall von Schuldnern entsteht.

  • Loss Given Default (LGD): Der erwartete Verlust im Falle eines Ausfalls, ausgedrückt als Prozentsatz des Kreditbetrags.

  • Rating (Bonität): Eine qualitative oder quantitative Einschätzung der Kreditwürdigkeit eines Schuldners.

Zusammenfassung

 

Die Ausfallwahrscheinlichkeit (PD) ist im Finanzwesen die geschätzte Wahrscheinlichkeit, dass ein Schuldner (Unternehmen, Staat oder Person) innerhalb eines Jahres seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen kann. Sie ist die primäre Kennzahl im Kreditrisikomanagement und hat direkten Einfluss auf die Vergabe und Bepreisung von Krediten und Anleihen. Banken nutzen die PD gemäß den Basel-Vorschriften zur Berechnung der Eigenkapitalunterlegung. Die Schätzung basiert auf statistischen Modellen, die historische Daten, finanzielle Kennzahlen oder Marktpreise (z. B. Credit Default Swaps) berücksichtigen. Die PD ist ein prozyklischer Indikator und unterliegt Modellrisiken.

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Hinweis: Die Informationen basieren auf allgemeinen Kenntnissen und sollten nicht als Finanzberatung verstanden werden.